05
Juni
Ok.
Was Du kannst, kann ich schon lange.

 
 
03
Juni
"Daß sie gegangen ist,
das hat doch auch ein wenig mit Respekt und Achtung vor dem Gegenüber zu tun.", schriebst Du mir. Ich habe diese Worte als sehr tröstlich empfunden. Als Trost gemeint, haben sie mich tatsächlich getröstet.

Ich ließ sie in Ruhe. Nicht aus Rücksichtnahme, sondern aus Feigheit. Sie ist gegangen und wenn das nötig ist, kann sie mit mir (zumindest zur Zeit, harharhar!) nichts anfangen. Was bedeutet, daß ich ihr nicht mehr dasselbe bedeute wie einst. Gesagt hat sie das zwar nicht, aber ich war auch nicht scharf darauf, es zu hören. Ich ließ sie in Ruhe und wartete. Nichts tat ich, nichts unternahm ich, nichts hörte oder sah ich von ihr. Heute morgen dann endlich ein Lebenszeichen. Aber nicht von ihr selbst.

Sie ist bei ihm. Schon seit zwei Tagen. Heimlich ist sie gefahren und ich weiß es nur, weil ausgerechnet ER mich anrief und mir sagte "ich solle mir keine Sorgen machen."

Ich soll mir also keine Sorgen machen. Okay, mache ich mir keine Sorgen. Alles ist wunderbar. Alles ist bestens.

Respekt und Achtung und keine Sorgen.

 
 
28
Mai
Baby,
gestern vormittag habe ich nachgeschaut, ob Dein Auto auf dem Parkplatz vor dem Bürohaus steht, in dem Du arbeitest. Es war da, also hast Du Dir nicht freigenommen, wie Du es geplant hattest. Mit den anderen feiern wollten wir und am nächsten Tag ausschlafen. In aller Ruhe frühstücken. Vielleicht einen Stadtbummel machen. Abends vielleicht ins Kino. Oder essen gehen. Weder Du noch ich haben frei gemacht. Diese Übereinstimmung hat mich heimlich gefreut, Baby. Eine Gemeinsamkeit, keinem von uns beiden lag an diesem freien Tag.

Es wäre so leicht gewesen, auszusteigen und hinein zu gehen. Ein blöder Vorwand wäre mir sicher eingefallen, warum ich Dich an Deinem Arbeitsplatz besuche. Ich hätte etwas fragen können, so tun können, als würde ich wichtige Papiere suchen und nicht finden. Ich habe darüber nachgedacht, habe nach einer Ausrede gesucht, aber dann hatte ich eine bessere Idee.

Ich überlegte mir, zurückzufahren und mit jemandem aus dem Büro das Auto zu tauschen. Ich überlegte mir weiter, mich auf die Lauer zu legen, mit dem Dir unbekannten Wagen, und zu warten, bis Du Feierabend machst. Mein eigenes Auto würdest Du sofort bemerken, würde ich Dir folgen. Ein fremdes Auto würde Dir vielleicht auch auffallen, aber vermutlich nicht sofort und vielleicht würdest Du nicht näher hinsehen und vielleicht, wenn ich zwei oder drei Wagen Abstand einhalte....

Mein Plan erschien mir genial. Er scheiterte daran, daß diejenigen, denen ich die Wahrheit sagen konnte, ohne mich bis auf die Knochen zu blamieren, entweder frei genommen hatten oder nicht tauschen konnten oder wollten. Für die anderen Anwesenden fiel mir keine Ausrede ein. Welche einleuchtende Erklärung gäbe es, die Wagen zu tauschen?

Ich gab den Plan auf, machte früher Feierabend und fuhr erneut an Deinem Arbeitsplatz vorbei. Du warst nicht mehr da, leer war der Parkplatz, auf dem zuvor noch dein Wagen stand. Ich habe Dich verpasst. Ich frage mich, was geschehen wäre, wärest Du noch da gewesen? Wäre ich Dir in dem Dir so vertrauten Wagen gefolgt? Hättest Du mich erkannt und mich kreuz und quer durch die Stadt irregeführt, bis uns beiden der Sprit ausgegangen wäre? Hättest Du angehalten und mich zur Rede gestellt? Was hätte ich dann getan? Ich weiß es nicht. Eines weiß ich jedoch jetzt: Du bist nicht bei IHM.

Baby, ich weiß nicht, warum Du nicht bleiben konntest. Habe ich Dich bedrängt? Ich glaube nicht. Habe ich Dir Vorwürfe gemacht? Nein, Baby, das habe ich, denke ich, nicht. Was habe ich getan, daß Du nicht bleiben konntest?

Ich vermisse Dich.

D.

 
 
25
Mai
Laß es, Blödmann,
laß es besser. Klar bist Du versucht, alle Freunde und Freundinnen anzurufen, bei denen sie sein könnte. Nur so, um zu wissen, wo sie ist. Um Dir eine Vorstellung machen zu können. Ja, auch um Dir sicher sein zu können, daß sie nicht doch bei IHM ist.

Du würdest sie gar nicht sprechen wollen. Würdest erklären, daß man ihr gar nicht sagen soll, daß Du auf der Suche nach ihr wie ein Bekloppter durch die Gegend telefoniert hast. Du würdest nur um ein "Ja" oder "Nein" bitten, nicht mehr. Keine weiteren Kommentare. Nichts sonst.

Laß es, Blödmann. Niemand wird gerne angelogen. Du auch nicht. Fordere es also gar nicht erst heraus. Wenn sie wollte, daß Du weißt wo sie ist, hätte sie es Dir gesagt. Oder eine SMS geschickt. Oder. Oder. Oder. Und ist es nicht egal, wo sie ist? Wäre es nicht sogar egal, wäre sie bei IHM? Sie ist nicht bei Dir. Der Rest? So gut wie egal. Also laß es.

 
 
20
Mai
Da sitzt Du nun,
Du armes Schwein, und Dir fallen tausend Sachen ein. Was ist nur alles falsch gelaufen? Am liebsten würdest Du Dich besaufen.

Klar, daß Du Dir irgendwann die Frage stellst, wie das überhaupt alles passieren konnte. Natürlich fängst Du bei ihm an. Was hat er, was Du selbst nicht hast? Was ist an ihm, das Dir fehlt?

Er sieht nicht besser aus. Anders als Du selbst, aber nicht besser. Er ist genauso wenig ein Calvin-Klein-Model wie Du selbst. Er muß sich aber, wie Du selbst, auch nicht an der Hauswand entlang drücken. Er hat nicht mehr Geld als Du, was daran liegt, daß er mit Geld nicht umgehen kann. Hat er welches, gibt er es sofort aus und hangelt sich bis zum nächsten warmen Regen. Okay, er hat ein Haus im Grünen, sie will schon seit Ewigkeiten raus aus der Stadt, ins Grüne. Aufs Land. Aber er bewohnt das Haus nicht selbst, sondern hat es vermietet. Er hat keinen aufregenderen Job als Du. Zusammen studiert, macht er denselben Quark wie Du selbst.
Er fährt kein größeres Auto, sondern bevorzugt dieselbe Automarke wie Du. Er hat keinen größeren Schwanz und keine dickeren Eier. Die gemeinsamen spätpubertären Vergleiche der anatomischen Gegebenheiten, einschließlich abgesonderter Spermamengen, ergaben ein Unentschieden. Er ist ein Sprücheklopfer, aber die Sprüche, die er ihr gesagt haben könnte, hat sie von Dir selbst alle schon einmal gehört - und Dich hat sie damals dafür ausgelacht. Das einzige, was er Dir voraus hat ist, daß er mehr Zeit hat als Du selbst. Er macht zwar denselben Quark wie Du, aber unter einer anderen Regie und zu anderen Konditionen. Während Du zu fast jeder Tages- und Nachtzeit ansprechbar sein mußt, hat er geregelte Arbeitszeiten und das, was nicht geregelt ist, regelt er selbst, nach eigenem Gusto.

Da hast Du es. Er hat mehr Zeit. Du hattest nie genug Zeit für sie, zuletzt sogar immer weniger. Sie hat sich oft genug beschwert und Du hast sie oft genug dafür angeblafft. Der Sprücheklopfer, der Du bist, sagte dann Dinge wie: "Baby, ich reiße mir den Arsch auch für Dich auf, mach es mir doch nicht noch schwerer." Du hast sie zu viel allein gelassen, eine Frau wie sie läßt man nicht so viel allein. Eine Frau wie sie läßt man überhaupt nicht allein.

Du hast ihr nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt, warst Dir ihrer viel zu sicher. So vieles ist selbstverständlich geworden. Hat sie auf Dich gewartet, hast Du genervt reagiert, weil Du Dich bedrängt gefühlt hast. Hat sie nicht auf Dich gewartet, hast Du Dich beschwert, daß sie es sich gut gehen läßt, während Du da draußen in der bösen Welt um Eure Existenz kämpfst - gemeint hast Du allerdings nur Deine eigene, sie mit einzuschließen, das war reine Boshaftigkeit. Du hast ihren liebevoll gedeckten Tisch ignoriert und Dir ihr liebevoll gekochtes Essen in den Hals gestopft um danach auf die Couch zu fallen und vorm Fernseher einzuschlafen. Sogar wenn Du da warst, warst Du nicht da. Nicht wirklich da.

Du hast Dich an ihren Anblick gewöhnt und sie nicht mehr richtig angesehen, nicht mehr das gesehen, was Du an ihr liebst, sondern nur noch das, was Dich an ihr genervt hat. Du hast ihr viel zu selten gezeigt, was sie Dir bedeutet, weil Du es selbst vergessen hattest. Sie tat so viel für Dich und Du hast es ihr niemals gedankt. Du hast ihr gesagt, daß Du sie liebst, aber Du hast es bei Lippenbekenntnissen belassen und keine Taten folgen lassen. Und nun sitzt Du hier und heulst. Jetzt. Erst jetzt, Du blöder Hund!

Könntest Du die Zeit zurückdrehen, würdest Du alles anders machen. Alles ganz anders.

 
 
18
Mai
Da sitzt Du nun,
Du arme Sau und denkst an den verlogenen Hund und Deine Frau. Seit einer dreiviertel Stunde tutet Dir unter ihrer Nummer der Besetztton entgegen. Störung in der Leitung? Irgendein Fehler? Oder...

Erinnerst Du Dich an diesen Abend, als Du diesen unerwarteten und überaus wichtigen Termin hattest, der sich so lange hinauszog, daß Du erst gegen 22.00 Uhr zu Hause sein konntest? Sie und er auf der Couch, Weingläser auf dem Tisch, die besonderen, die Ihr, sie und Du, aus der Toskana mitgebracht habt. Zwei Flaschen von dem sauteuren Chianti, leer. Und Kerzen, kein anderes Licht, nur Kerzenschein. Gefreut hast Du Dich, daß die beiden sich so gut verstehen. Froh warst Du darüber, daß die beiden so gut miteinander auskommen. Daß sie sich so mögen. Sich sympathisch sind. Und stolz warst Du auf Dein Mädchen. Kümmert sich um Deinen Freund, unterhält ihn, bewirtet ihn und vertreibt ihm die Zeit, damit Du Dir in aller Ruhe im Job den Arsch aufreißen kannst. Nur das Beste für Deinen guten Freund, edelster Chianti, romantischer Kerzenschein, die besonderen Gläser - und Deine Frau.

Warum hast Du nichts gemerkt? Wieso warst Du so blind? Oder wolltest Du nichts merken? Blindes Vertrauen in den guten alten Freund, den Du schon von Kindesbeinen an kennst? Der Freund, mit dem Du so viel erlebt hast, dem Du genauso oft aus der Scheiße geholfen hast wie er Dir. Mit dem Du Dich geprügelt hast, mit dem Du geweint, gelacht und gelitten hast. Für den Du die Hand ins Feuer gelegt, dem Du Dein letztes Hemd gegeben hättest.
Blindes Vertrauen in sie, die niemals ein Kind von Traurigkeit war, aber immer wußte, wo die Grenzen sind? Sie, die alles für Dich war, so wie Du dachtest, alles für sie zu sein. Sie, die auch aus den schlechtesten Tagen etwas Gutes zu machen wußte. Sie, die allen den Kopf verdrehte, um dann provokativ Dir die Hand unter das Hemd zu schieben. Der Du mit amüsiertem Stolz zuschautest, wenn sie auf Teufel komm raus flirtete um dann lächelnd in Deine Arme zu fallen, Dir und jedem anderen zeigend, an wessen Seite sie gehört. Die, für die Du sogar aufs Land gezogen wärst, in ein windschiefes Bauernhaus mit unkrautüberwuchertem Garten und Milchkannen am Straßenrand.

Wärest Du an diesem Abend früher als erwartet nach Hause gekommen, wäre das das Ende Deiner Blindheit gewesen? Was hätten Deine blinden Augen gesehen? Sie und er harmlos auf der Couch? Oder sie und er in Deinem eigenen Bett?

Besetzt. Immer noch.

 
 
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