05
Juni
Dann fahr doch
zur Hölle, Baby. Wenn Du alles so einfach hinschmeißen kannst, dann war es auch nichts wert. Ich habe mir was vorgemacht. Du hast mir was vorgemacht. Wir haben uns was vorgemacht. Nichts hatten wir. Nichts waren wir. Schmeiß alles weg, es war sowieso nichts wert. Laß Dich von dem Arschloch ficken, solange das Arschloch Lust dazu hat. Vielleicht fällt ihm morgen ein, daß er Dich gar nicht will. Daß er Dich über hat. Und dann? Bin ich dann wieder gut genug? Stellst Du Dich dann wundgefickt und heulend vor die Tür? Wenn Dich das eine Arschloch nicht will, dann eben das andere? Vergiß es, Babe. Fahr zur Hölle. Scher Dich zum Teufel.
Weißt Du,
daß ich mir wünsche, Dich nicht nur nicht mehr zu lieben, sondern sogar Dich zu hassen?
Ich frage mich, ob es Dir überhaupt noch etwas ausmachen würde, würde ich Dich hassen. Nicht einfach nur nicht mehr lieben, sondern hassen. Vermutlich nicht. Oder doch? Warum. Immer wieder die Frage nach dem Warum. Warum? Ich sehe Euch vor mir, sehe Dich, unter ihm. Drei Tage nun. Drei Tage und Nächte. Fickt er besser? Ist es das? Oder bist Du tatsächlich so dumm, auf seine hohlen Worte hereinzufallen? Denn mehr als hohle Worte sind es nicht. Ich hielt Dich für intelligenter. Weniger naiv. Er hat mehr Zeit? Schenkt Dir mehr Aufmerksamkeit? Achja? Wie lange, Babe? Wie lange hält diese Frischverliebt-Phase an? Bist Du wirklich so dumm?
25
Mai
Baby,
das letzte Mal, als ich einen Zettel auf dem Küchentisch fand, in einer leeren Wohnung, ist lange her. "Mach Dir keine Sorgen.", stand dort. Das war auch schon alles an Übereinstimmung mit den Zeilen, die ich heute in den Händen halte.
Ich packte ein paar Sachen zusammen, sagte alle Termine der restlichen Woche ab und fuhr Dir hinterher. Hoch oben im Norden fand ich Dich, Deine weinende Freundin im Arm haltend, deren kleine Tochter nach einem Fahrradunfall auf der Intensivstation lag. Ich mietete mir ein verstaubtes Zimmer, nur ich allein, denn Du bliebst bei Deiner Freundin, deren Macker sich schon vor Jahren achselzuckend verpisst hatte. Ich weiß nicht, ob Du diese Zeit an der Nordsee genauso in Erinnerung hast wie ich, vermutlich nicht. Ich habe Dir das niemals gesagt, es erschien mir unpassend, angesichts des Kummers Deiner Freundin und der Verletzungen des kleinen Mädchens, aber ich empfand diese Tage als wunderschön. Es war Frühling, so wie jetzt, aber das Wetter war besser. Vormittags habe ich am Strand gesessen, auf die Wellen hinausgeschaut und gegen den Wind ins Telefon gebrüllt, die wichtigsten geschäftlichen Dinge regelnd. Mittags trafen wir uns zum Essen, Du und ich. Manchmal hattest Du verweinte Augen. "Weinen steckt an.", sagtest Du. Deine Freundin weinte unentwegt. Ich weiß noch, wie unnütz ich mir vorkam, in dieser Situation und doch war ich stolz. Auf Dich, Süße. Darauf, daß Du für Deine Freundin da warst, sie zu unterstützen versuchtest. Und darauf, daß Du Dich an mich lehntest, Dir von mir Deine Tränen trocknen ließest. "Will in Deinen Arm.", sagtest Du oft. Weißt Du eigentlich, wie sehr ich diesen Satz geliebt habe? In meinen Arm. Du in meinem Arm. Ich habe mir heimlich eingebildet, ich gäbe Dir Kraft, so viel, daß Du sie weitergeben konntest. Wir blieben uns fremd, Deine Freundin und ich. Auch das kleine Mädchen blieb mir fremd. Dir aber, Babe, Dir fühlte ich mich so sehr nahe in diesen Tage, obwohl wir nur die Mittagszeit und die Nächte miteinander hatten und Du mit Deinen Gedanken oft woanders warst. Einmal haben wir uns in den Dünen geliebt. Es war arschkalt und dann regnete es auch noch. Ich erinnere mich, wie sehr Du gelacht hast, als wir, unsere Kleidung unter den Armen, zum Auto gerannt sind. Daran, wie Du vor Kälte gezittert hast. Und daran, wie Du "Nein" sagtest, als ich vorschlug, in die Pension zu fahren. Du wolltest, daß ich Dich im Auto ficke und die Art, wie Du das sagtest, hat mir eine Gänsehaut gemacht. Nachher war Dir nicht mehr kalt. Noch Wochen später quoll Nordseesand aus den Ritzen der Sitzpolster. Das kleine Mädchen erholte sich gut. Ich staunte darüber, wie hübsch Deine Freundin ist, wenn sie lächelt. Ich wäre gerne noch ein paar Tage geblieben, aber es gab keinen Grund mehr. Auf der Rückfahrt bist Du vor mir hergefahren. Ich sah Deine Augen im Rückspiegel Deines Wagens. Du hast gelächelt, Baby, und manchmal hast Du mir im Spiegel direkt in meine Augen gesehen. Bildete ich mir zumindest ein. Zuhause habe ich Dich den Satz "Will in deinen Arm" nur noch wenige Male sagen hören. Ich liebte diesen Satz so sehr, Baby. "Will in deinen Arm." Ich liebe Dich. D.
18
Mai
Oh no, Baby
erst ist bei Dir stundenlang besetzt und als ich Dich endlich erwische, heulst Du mir was vor. Und das einzige, was Du zwischen Deinen Schluchzern herausbringst ist, daß ER nicht mir Dir sprechen will. Daß er Dich wegdrückt, wenn er Deine Nummer sieht oder sofort auflegt, wenn Du ihn mit unterdrückter Nummer anrufst.
Baby, bei aller Liebe, aber warum, verfluchte Scheiße, erzählst Du MIR das? Was soll ich da tun? Was erwartest Du von mir? Bedauern? Mitleid? Anteilnahme? Trost? Nein, Baby, nein. Das übersteigt meine Kräfte. Das alles ist ein nicht enden wollender Alptraum. Bitte weck mich auf und sag mir, daß ich nur schlecht geträumt habe. Sag mir, daß das ein übler Scherz ist, daß Ihr beide mich nur verarschen wolltet. Sag "Ätsch, drauf reingefallen" und lach mich aus. Er spricht nicht mit Dir, na und? Na und, Baby? Soll MIR das leid tun? Für wen? Für Dich? Für ihn? Wegen mir, Süße, kann er vor den nächsten Bus laufen oder einfach tot umfallen. Er spricht nicht mir Dir... WIESO erzählst du MIR das?
Baby,
heute morgen hast Du mich angelächelt und Dich in meine Arme gekuschelt, anstatt, wie in den letzten Tagen, hastig aufzustehen und in Küche oder Bad zu verschwinden. So warm warst Du und so hart wurde mein Schwanz, dicht an Deiner Hüfte. Und dann hast Du tatsächlich gelacht und Dich noch enger an mich gedrückt. Ich hätte so gerne mit Dir geschlafen, das erste Mal seit Tagen, aber ich konnte es nicht.
Süße, ich weiß nicht, ob Du das verstehen kannst. Ich habe Lust auf Dich, große Lust, aber da ist auch der Gedanke, daß Du an ihn denkst, während wir beide miteinander schlafen. Daß Du Vergleiche anstellst, Dir wünschst, ich wäre er. Daß Du nur aus Gefälligkeit mit mir fickst. Oder daß du vielleicht sogar wieder zu weinen anfängst, während wir miteinander schlafen. Das würde ich nicht ertragen, Babe. Du wirst jetzt vielleicht sagen, daß wir auch miteinander schliefen, bevor er ging. Baby, auch da habe ich mich oft gefragt, woran Du denkst, an wen Du denkst. Aber ich wußte auch, daß Deine Lust echt ist. Du hättest zu ihm gehen können, Du hättest nicht mit mir schlafen müssen. Ich wußte, daß Du mit mir gefickt hast, weil Du mit mir ficken wolltest. Ich wußte, daß Dein Stöhnen mir galt. Jetzt weiß ich das nicht mehr und das schlimmste, das allerschlimmste wäre, wenn Du zu weinen anfangen würdest, während mein Schwanz in dir steckt. Hätte ich heute morgen mit Dir geschlafen, Baby, hättest Du dann an ihn gedacht? Hättest Du die Augen geschlossen und Dir vorgestellt, ich wäre er? Ich liebe Dich. D.
18
Mai
Baby,
ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Am Anfang? Mittendrin? Am Ende zu beginnen ist eine immer wieder gerne aufgegriffene Idee erfolgreicher Buchautoren. Ich bin kein Buchautor und außerdem kenne ich das Ende nicht. Das soll kein Vorwurf sein, ich bin mir sicher, daß auch Du das Ende nicht kennst, denn sonst würdest Du es mir verraten. Das würdest Du doch, oder?
Süße, ich habe Dich angelogen, als ich Dir vorhin am Telefon sagte, ich hätte heute abend eine Verabredung mit einem Freund und es könnte spät werden. Freund, was für ein Wort, es tut schon beim Denken weh, es auszusprechen hat mich wirklich Überwindung gekostet. Du hast nicht einmal gefragt, mit welchem Freund ich verabredet bin, hast nur "Okay" gesagt und dann geschwiegen. Als hättest Du die Lüge sofort erkannt und als wäre sie dir recht gewesen. Babe, ich wollte Dich nicht anlügen, aber ich weiß nicht weiter. Was soll ich tun? Was kann ich tun? Wie kann ich Dir helfen? Willst Du meine Hilfe überhaupt? Oder wäre es Dir am liebsten, ich würde verschwinden und nie wieder kommen? Soll ich gehen, damit Du gehen kannst? Ich verstehe so vieles nicht, Süße. Warum bist Du nicht mit ihm gegangen, wenn Du ihn so sehr vermisst? Warum bist Du noch hier? Und warum, verfluchte Scheiße, können wir beide nicht miteinander reden? Warum sagst Du mir nicht, worüber Du so viel weinst? Und, wenn ich schon einmal dabei bin, könntest Du bitte, bitte, bitte mit dem Weinen aufhören? Weißt Du, wie das für mich ist? Es macht mir ein schlechtes Gewissen, Süße, als wäre alles meine Schuld und ich der Klotz an Deinem Bein. Der verachtenswerte Dreckskerl, der Deinem Glück im Wege steht. Bin ich das? Bist Du nicht meinetwegen geblieben, sondern nur Deines schlechten Gewissens wegen? Weinst Du deshalb so viel? Ich hoffe, daß Du schläfst, wenn ich nachher heimkomme. Wenn Du schläfst, weinst Du nicht und ich muß mich nicht fühlen wie ein blödes Arschloch. Ich liebe Dich. Egal, was ist und egal, was wird.
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